Sie stand auf dem riesigen Platz, der gar nicht so viel Raum für Weitsicht lässt aber die Bauten die ihn umgaben, so vielseitig, universell und wechselhaft wie sie waren, schön wie hässlich, schmückten ihn mit den nötigen Merkmalen dieser Stadt. Es bleibt einem selbst überlassen, wie viele dieser Straßen daneben und darum man in sein Blickfeld lässt. Eins jedoch ist unumgänglich. Wie ein aufmüpfiger Gastgeber, mittendrin, standfest und irgendwie auch fehl am Platz. Eine Antenne. Das beste Zeichen für den Verkehrsknotenpunkt ständiger Veränderung. Egal wie weit man sich von ihr entfernt, man findet immer wieder zu ihr zurück. Und wenn nur in Sichtweite.
Sie stand direkt davor, daneben, darunter. Den Kopf so weit in den Nacken gelegt um die Spitze zu sehen, stehend, im Moment davor. Sie hat einen guten ersten Eindruck hinterlassen damit Berechtigung geschaffen und Vorurteile verschwanden im Jetzt.
Aber der Moment davor. Unzählige und immer wiederkehrend. Vor dem zweiten Moment dem dritten oder dem ersten in der Routine. Jede Szene beginnt in der Mitte und es liegt an einem selbst, was davor kommt, wie viel davor kommt und wen oder was man mitnimmt. Doch immer ist eine hundertprozentige Hingabe notwendig. Wie wenn man zum ersten mal mit jemanden Hände schüttelt. Der schlaffe Fisch, der einem feuchtkalt entgegengestreckt wird oder gleich die Positionierung des Stärkeren mit einem Druck, der die Hand pochend noch Minuten danach daran erinnern lässt. Irgendetwas wird dem vorausgehen und ein Eindruck bleibt. Eine Erinnerung, eine Kultur die sich entwickelt, ein Gut.
Gleichzeitig steigert sich Begeisterung für Spontanität, deren Humor von der Spannung zwischen einer mit Gefühlen ausgestatteten menschlichen Seinsweise und seiner Existenz als Rädchen in einer sozialökonomischen Maschine lebt. Und so steht sie da, in dem Gefühl als Signalfunktion die das Ich zeigt, das Dich sehen wird. In den Sandalen mit den schwarzen Riemen, die ihre frisch dunkelrot lackierten Zehennägel präsentieren. In der Hose mit lockeren Beinen, die sie den warmen Wind spüren lässt. Und einem frühsommerlich pastellfarbigen Pullover. Die Luft war erregend und ein Anflug erwartungsvoller Lustigkeit lag darin. Das spontane Auftreten, das im Nachhinein oder schon währenddessen die subjektive Bedeutung herausfiltern lässt, ist die Welterfahrung und Realitätsprüfung des Moments davor und baut Spannung auf. Jetzt der Auftritt. Der Eingriff in ihr Fühlen, in ihre innere Einstellung. Sie wollte plötzlich nicht vorsichtig von ihrem Kopf geführt werden also lies sie sich darauf ein. Im ersten Moment der Begegnung und im nächsten. Dazwischen formt sie nur die Momente davor. Stark und ergiebig, um dem was kommt Material zu geben, woran bis zuletzt von beiden gezehrt werden kann. Je tiefgreifender die Technik sie im Verhalten und Fühlen beeinflusst, umso intensiver muss sie sich mit der Unklarheit in der Stimmung auseinandersetzen. Ihr inneres Handeln ist jedoch die Überzeugungskraft und jedem an der Oberfläche vorgespielten Gefühl überlegen, abbringend von vorgeschriebenen Gesten.
Nichts in dieser Reihe von Entdeckungen und Ereignissen wäre in dieser Fülle so wach geworden, hätte es nicht diesen, ja, irgendwie romantischen, Moment davor gegeben. Sie hat ihren Tagtraum, ihre Phantasie, ihr eigenes inneres Juwel als dargestelltes wahren Selbst voll und ganz investiert und für das Jetzt instrumentalisiert.
Ihre zuvor nervös gefalteten Hände wurden, offen, weit und warm zu einer Umarmung. Ihre Ohren die horchten, lauschten Geschichten und hörten letztendlich nicht nur Worte und ihre Augen, die manchmal schweifend umherblickten, sahen am Ende nicht nur ein blasses Glänzen im Gegenüber sondern die nackte Oberfläche eines Menschseins. Ein lebendiges und überzeugendes Beispiel in der Begegnung, dass jedwede Despotie bewusst beeinflussbar ist. Die eigene Beredsamkeit ist ihre Stärke und immer wenn sie andere daran Teil haben lässt, findet sie sich in ihrer Authentizität naturhafter Wildheit und derer ihrer Gesellschaft wieder. Im Prozess der Individuation als Sender und Empfänger. Als Antenne im eigenen Verkehrsknotenpunkt.
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